Ein Interview mit Herrn Kindermann

In der letzten Zeit sind natürlich einige Fragen aufgekommen, was den Schulbetrieb angeht, wenn es denn wieder losgeht. Freundlicherweise hat sich Herr Kindermann am 15.04.2020 bereit erklärt, uns einige dieser Fragen per E-Mail zu beantworten. Aufgrund der Dynamik der Entwicklung könnten sich manche Dinge schon weiterentwickelt haben.

Haben Sie vor, dass das Tragen eines Mundschutzes in unserer Schule zur Pflicht wird?

Wir müssen vorsichtig abwägen zwischen der Verpflichtung und einer Etikette. Es ist sicherlich nicht klug und auch nicht notwendig, die für Krankenhäuser benötigten (FFP2-)Masken in Schulen einzusetzen. Stoffmasken sind hingegen für unseren Bereich ausreichend und können gut selbst erstellt werden. Das haben wir in der überragenden Spendenaktion gesehen, die Herr Lausecker initiiert hat. Etliche hundert Stoffmasken wurden von der Schulgemeinschaft genäht und verschiedenen Kliniken gespendet, die sich sehr über diese Entlastung gefreut haben. Das war/ist ein toller solidarischer Beitrag!
Ich kann nicht davon ausgehen, dass alle 1030 Schüler*innen sich zügig genug einen Mundschutz kaufen oder herstellen können oder möchten, aber ich gehe davon aus, dass Masken für längere Zeit ein Bestandteil in Schule sein werden. In diesem Punkt werden bis zum Wiederstieg der Jahrgänge aber eine klare Haltung entwickelt haben. Schüler*innen sollten in jedem Fall beim Wiedereinstieg ihre Maske dabei haben.

Haben Sie schon Pläne für den Unterricht, wenn die Schule wieder öffnet?

Die Regelungen, die das Kultusministerium treffen wird/getroffen hat, geben uns den klaren Rahmen vor, in dem wir eigenverantwortlich unser Schulleben gestalten. Eine wichtige Einstiegsfrage für uns ist, wie wir die typischen Gewohnheiten des Alltags durchbrechen und die in den letzten Wochen im Alltag erlernten Hygiene- und Abstandsregeln auch in den Schulalltag der nächsten Zeit übertragen können. Da sind etliche Detailfragen zu klären und es wird bei Beginn der Schulzeit über diese neue Situation gesprochen werden. Es wird sich zeigen, dass wir Regelungen immer wieder anpassen müssen, wenn wir merken, dass sich etwas nicht bewährt oder sich die Situation immer mehr entspannt oder zuspitzt. Da wird sicherlich Dynamik in den schulinternen Verfahren sein und das wird vermutlich auch anstrengend für die Schulgemeinschaft sein, aber ich bitte die Schüler*innen einfach darum, aus Solidarität unseren Regelungen zu folgen. Wenn die Infektionszahlen maximal sind, kann ich nicht die Botschaft senden, dass der Alltag an der Sophienschule sehr schnell wieder so aussehen wird, wie vor zwei Monaten. Aber die Vertrautheit der Menschen untereinander wird schnell wieder zurückkommen. Und das ist schließlich das wichtige Element einer Gemeinschaft. Die eher Regelungen der Abstände in Kiosk, Sekretariat, Flur und co dienen nur der Vorsorge, dass wir in ein paar Wochen oder Monaten nicht von einer Welle überrascht werden. Um unsere Schüler*innen mache ich mir dabei weniger Sorgen als um deren Verwandte oder gefährdeten Bekannten.

Was ist Ihr Eindruck von Sophie@Home, sprich wie die Schüler*innen zuhause arbeiten? Könnten Sie sich vorstellen, dass man so erst einmal weiterarbeiten könnte?

Je kürzer Sophie@Home gilt, desto besser ist es, denn der Unterricht in der Schule ist durch nichts zu ersetzen. Die Lehrkräfte haben in der Zeit von Sophie@Home ihr Bestes gegeben und geben es weiterhin und gehen unterschiedlich mit der Situation um, um euch weiter die bewährte Struktur von Schule zu geben. Da konnten etliche Schüler*innen ganz direkt den Lernprozess der Lehrkräfte mitverfolgen (Ja, man lernt immer ein Leben lang!) und haben auch den Mut ihrer Lehrer gesehen, sich z.T. erstmals mit ganz neuen digitalen Werkzeugen und Formaten auseinanderzusetzen. Digitaler Unterricht, bei dem die Schüler zuhause am PC sitzen, ist kein Zukunftsmodell, weil z.B. das Anstupsen eines abschweifenden Schülers durch seinen Lehrer oder der direkte Austausch der Schüler unverzichtbar sind. Man muss sich von den Ideen der anderen inspirieren lassen und sich selbst im Reden, Argumentieren und Experimentieren ausprobieren. Reden lernt man nur durch reden. Und gleichzeitig gibt es neue Elemente, die wir in den letzten Wochen kennengelernt haben, die es sich lohnt, häufiger einzusetzen. Dadurch können Schüler*innen in der ein oder anderen Lernsituation ganz neue Kompetenzen erlangen, die sie vorher nicht erlangen konnten. Ein eingescanntes Arbeitsblatt ist hingegen noch kein digitaler Unterricht. Es ist nur der allererste Schritt.

Wie fühlt es sich aus Lehrerperspektive an, wenn die Schulen so plötzlich geschlossen werden (müssen)?

Um es kurz zu sagen: Sehr unangenehm.
Die Lehrerperspektive ist dabei aber nicht relevant. Die Menschperspektive ist wichtiger:
Die Situation war für die allermeisten von uns neu. Nur diejenigen, die Migrationserfahrung haben, kennen das Gefühl vielleicht aus der Region, aus der sie fliehen mussten. Die Größenordnung einer Pandemie hat aber sicherlich bei vielen von uns ein Gefühl der Beklommenheit oder zeitweisen Sorge/Furcht hervorgerufen.
Rückblickend stelle ich für mich fest, dass ich begeistert bin, wie befürchtete Zersetzungserscheinungen von Gesellschaft verhindert wurden, weil Politik und Verwaltung und die Mitmenschen klug und verantwortungsvoll reagiert haben. Es funktionierte vieles weiter und auch Toilettenpapier gibt es wieder zu kaufen. Dass in Deutschland Toilettenpapier Mangelware war, ist mir aber lieber als das, was in anderen autoritärer geführten Ländern Mangelware wurde. Als Gesellschaft können wir schon jetzt das Zwischenfazit ziehen, dass wir bestanden haben und sehr glücklich sein können, dass die Politik auf allen Ebenen besonnen reagiert hat und uns als Bürgern viel Vertrauen geschenkt hat, indem sie Ausgangssperren vermieden hat. Das war ein Gelingensfaktor.
Mich bedrücken hingegen sehr die wirtschaftlichen Folgen, unter denen etliche unserer Eltern und damit auch unsere Schüler*innen zu leiden haben.

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie stressig war die Situation kurz vor der Schulschließung im Vergleich zu jetzt?

Damals gefühlt: Zehn. Alles was ich vorher erlebt habe, waren Fingerübungen.
Jetzt mit Abstand, weil ich weiß, wie es sich entwickelt hat: sechs.

Hätten Sie im Januar, als das Virus bekannt wurde, damit gerechnet, dass eine Schulschließung auf uns zukommen könnte bzw. wann wurde Ihnen klar, dass es dazu kommen würde?

Im Januar hatte ich das Virus nicht als Gefahr für uns vor Augen, habe die Entwicklung aber interessiert verfolgt.
Ich wurde sehr hellhörig, aktiv und innerlich angespannt ab dem 5. März 2020, 8:16 Uhr. Meine innere Anspannung stieg exponentiell bis ich die klugen Reaktionen der Politik merkte. Dann fiel die Anspannung exponentiell. Wer die mathematischen Hintergründe kennt, ist geneigt zu agieren.

Tragen Sie selbst einen Mundschutz und wenn ja, welchen?

Ich habe meiner Familie vor zwei Monaten waschbaren Stoffmundschutz gekauft, der das Gesicht gut bedeckt und sich recht gut anschmiegt. Das langfristige Arbeiten damit ist für mich noch gewöhnungsbedürftig und das Atmen und unnuschelige Sprechen fällt mir mitunter schwer. Ich habe großen Respekt z.B. vor den Pflegern und Ärztinnen, die täglich stundenlang mit noch dichteren Masken und unter hohem Druck arbeiten müssen. Hut ab. Die Gesellschaftsrelevanz etlicher Berufsgruppen dürfte für unsere Schüler*innen erlebbar gewesen sein und das ist sicherlich auch ein entscheidender Punkt bei der späteren Berufswahl: Wer will nicht eine wichtige Arbeit erledigen?

Wir danken Herrn Kindermann für das ausführliche Beantworten unserer Fragen, aber noch viel mehr für seine ermutigenden Nachrichten, die er regelmäßig an alle schreibt!

Bleibt alle gesund und denkt weiterhin dran: Flatten the curve!

 

Von Maike (Jhg. 12)